Orangenmond by Stefanie Gerstenberger
Autor:Stefanie Gerstenberger
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
ISBN: 3453291271
Herausgeber: Diana Verlag
veröffentlicht: 2013-08-22T22:00:00+00:00
16
Natürlich flirtete Helga so penetrant mit dem Koch, der auf den schönen Namen Raffaele hörte, dass er für Eva nur noch ein erschöpftes Lächeln hervorbrachte. Natürlich fotografierte Georg jeden von Raffaele empfohlenen typisch umbrischen Vorspeisenteller, der auf ihrem Tisch landete. Natürlich verriet ein deutscher Idiot am Nebentisch Emil, woraus seine geliebten Peitschenwürstchen bestanden, sodass er sie von sich schob und nur noch Brot aß. Auch von den Linsen, in denen man den Speck kaum sah, und dem kunstvoll angerichteten Dinkeltörtchen mit Gorgonzola und Radicchio auf Evas Teller wollte er nichts mehr. Zu einem serpentone, einem mit getrockneten Pflaumen, Feigen und Pinienkernen gefüllten Schlangenkuchen, ließ er sich dann aber doch überreden. Raffaele brachte ihn persönlich aus der Küche, obwohl sie nicht einmal beim secondo piatto angelangt waren.
Eva war dennoch glücklich. Georg hatte auf dem Weg zum Restaurant ihre Hand genommen und heimlich geküsst, er hatte sich beim Hineingehen an sie gedrängt, die winzige, unbeobachtete Sekunde genutzt, um sie zu schubsen und sich lachend an sie zu drücken, bevor sie an einem der rustikalen Tische Platz genommen hatten. Kaum hatte er jedoch seine sehr bäuerlich wirkende minestrone di farro probiert, war er mit dem Teller zu dem jungen Koch in die Küche verschwunden. Er konnte nicht anders, musste Rezepte erfragen und notieren, Fotos machen. Da saß sie nun mit einem schweigenden Kind und einer extravaganten älteren Dame. Doch Eva war glücklich, da blieb auch noch etwas für Helga übrig. Sie lächelte ihr zu. Helga lächelte über ihren Teller Gnocchi mit Kürbiscreme zurück.
»Du siehst ja schon ganz erfrischt aus!«, sagte sie. »So ein Luxushotel ist eben nicht teuer, wenn man den Erholungswert betrachtet. In einem Haus der unteren Kategorie ärgert man sich doch nur, und diesen Ärger muss man dann auf den eingesparten Preis draufschlagen.«
Eva nickte. Sie wollte in diesem Moment nicht an ihren Kontostand denken, der durch die Reise ziemlich sinken würde. »Was war eigentlich gestern mit deinem Konto?«, fiel ihr bei dem Thema wieder ein. Georg hatte nichts darüber gesagt, als er zurückkam, und sie hatte nicht gefragt, hatte Helgas Probleme über ihren eigenen vergessen. Manchmal machte sie sich um die ganze Welt Sorgen, dann wieder blendete sie andere Menschen komplett aus, fast schon asozial.
»Ach, ich wollte meine Umsätze aufrufen, aber ich kam gar nicht rein.«
Hatte Helga Umsätze? Was tat sie eigentlich den ganzen Tag außer in ihrem Blog schreiben?
»Zu viele Fehlversuche stand da. Daraufhin habe ich meine Kreditkarte ausprobieren wollen, unten im Hotel. Ging aber auch nicht.«
»Und was hat Georg dann …?«
»Er hat die etwas patzige Mitarbeiterin an der Rezeption zum Schweigen gebracht und meine Karten telefonisch gesperrt, wegen der Fehlversuche. Sicher ist sicher.« Sie trank ihr Weinglas in einem Zug halb leer. »Zahlen kann ich auf dieser Reise nichts mehr …! Auch wenn ich’s wollte.« Sie lachte ihr übertriebenes Zahnlachen. »Weißt du, Eva«, fuhr sie fort, »ich bin ja nur froh, dass der Georg dann doch noch Geld von Henry, seinem leiblichen Vater, bekommen hat. Ich habe während der Jahre keinen Pfennig gesehen, aber wenigstens im Nachhinein. Nun, ich hab’s ihm gegönnt.
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